Führer gibt es wie Sand am Meer. Umso schöner ist es, wenn es solche gibt, die auf ganzer Linie begeistern. Drei, die in letzter Zeit in ulligundes Briefkasten landeten (vielen Dank an dieser Stelle), möchte ich kurz vorstellen. Begeisterung soll man ja schließlich teilen.
Sportkletterführer Allgäu-Rock (Gebro-Verlag)
Wer die Rökers nicht kennt, ist noch nicht ganz in der Allgäuer Szene angekommen, würde ich einmal sagen. Harald, der eine der Brüder Röker (GEbrüder RÖker = Gebro-Verlag), ist nicht viel größer als ich, aber wenn er am Fels oder an den Kunstgriffen mal loslegt, kommt man ganz schnell auf den Boden der Tatsachen zurück. “Ich bin zu klein, ich kann das nicht” gibt es ab sofort nicht mehr. Dass die zwei viel an den Felsen dieser Welt herumkommen, zeigt auch der Blick in das Sortiment des Gebro-Verlags: Von Kalymnos über zahlreiche Boulder- und Kletterführer in Europa (Festland) bis hin zu Mexico ist alles dabei. Der Allgäu-Führer ist da natürlich eine Selbstverständlichkeit, die es seit wenigen Wochen nun in der vierten, komplett überarbeiteten Auflage gibt.
Und was kann er jetzt?
Überzeugen, das kann er. Der alte Führer war schon gut gemacht – die Informationen und Routenbeschreibungen haben gestimmt (ja, das ist tatsächlich nicht selbstverständlich), die Topos waren erstklassig und gut verständlich, die Zustiegsbeschreibungen waren richtig und unkompliziert, die Anzahl der aufgenommenen Felsen war groß. Im Allgäu wird aber immer noch fleißig erschlossen, weshalb im Führer nach fünf Jahren einige Gebiete wahrlich unvollständig oder schlicht gar nicht existent waren.
Die schönsten Vorzüge:
- Die Einleitung behandelt auch ausgiebig das Thema um geschlagene Griffe und künstliche Routen. Das Thema ist den Brüdern eine Herzensangelegenheit, das merkt man. Ehrlich und sympathisch.
- Zahlreiche Farbfotos geben einen wunderbaren ersten Eindruck vom Gebiet.
- Die Gesteinsart ist nun auch in der Gebietsübersicht ersichtlich – eine super Unterstützung bei der Suche nach dem perfekten Gebiet.
- Jedes Gebiet ist mit GPS-Daten, Zustiegszeit (je Sektor!), Art der Bewaldung, Regentauglichkeit und subjektiver Bewertung (Sterne 1-4) ausgestattet, bei einigen Gebieten ist sogar angegeben, wie viele Exen man benötigt.
- Die Brüder scheinen tatsächlich einen Großteil der Routen noch einmal selbst geklettert zu sein. Zahlreiche Hinweise wie “erster Haken unvernünftig hoch”, “der sechste Borhaken ist schwer einzuhängen”, “teils etwas ältere Hakenmodelle”, “Haken etwas versteckt” etc zeigen, wie viel Mühe sich die Jungs gegeben haben.
- Anspruch auf Vollständigkeit: Es scheint fast so, als wäre in diesem Führer tatsächlich jede Route aufgenommen worden zu sein – einige der beschriebenen Gebiete bestehen nur aus einer einzigen Linie, die teils noch im Projektstatus steckt. Durch die hohe Anzahl neuer Gebiete, wurde auf die individuellen Vorstellungen der wichtigsten Erschließer verzichtet – das ist für`s Schmökern etwas schade, aber stattdessen noch mehr zu zahlen, wäre es auch nicht wert gewesen.
Alpine Bergtouren Allgäu (Kristian Rath, Bruckmann-Verlag)
Bei diesem Buch fällt als erstes das ungewöhnlich große Format auf. Zum Mitnehmen ist das nicht – aber das ist bei diesen Routen auch nicht nötig: Sie erfordern alle das Studium einer topografischen Karte, denn Markierungen oder Stahlseile sucht man bei den Touren vergeblich. Bei sämtlichen Touren handelt es sich tatsächlich um alpine Angelegenheiten, bei denen entweder alpin geklettert wird (bis IV) oder es weglos über teils ausgesetzte Grate zu den Gipfeln geht. Und das ist das, was wirklich begeistert: In diesem Buch ist drin, was drauf steht. Es sind keine verkappte Touristen-Routen, sondern tatsächlich teils in Vergessenheit geratene Gipfeltouren, die alpine Erfahrung voraussetzen. Das Buch vermittelt einen Hauch von Abenteuer, bei dem man noch selbst den Weg suchen und die Verhältnisse richtig einschätzen muss – alles andere hat unter Umständen unbequeme Folgen. Diese Kompromisslosigkeit gibt es bei den teils exzessiv markierten “Touristen-Routen” schon lange nicht mehr. Das Abenteuer (für einigermaßen versierte Bergsteiger) aber auch nicht. Da kommt dieses Buch genau richtig.
Und was kann das Buch jetzt?
Inspirieren. Der Führer schlägt “die Brücke zwischen dem reinen Wandern und dem Felsklettern”, wie Kristian Rath es in der Einleitung selbst beschreibt – sie birgt 45 Touren in der wohl ältesten Spielart der Berge – und eine, die bei vielen etwas in Vergessenheit geraten ist. Zu präsent sind gut gesicherte Kletterrouten, fordernde Sportklettersteige und und perfekt markierte Pfade.
Die schönsten Vorzüge:
- Die Tourenauswahl reicht vom wunderschönen Ammergebirge, über die Lechtaler und Allgäuer Alpen bis ins Rätikon und wurde von dem Allgäuer Urgestein persönlich getroffen. Obwohl ihm Skitouren die liebste Beschäftigung sind, begnügt sich Kristian im Sommer ausgiebig mit solchen alpinen Bergtouren, wie sie hier im Führer zu finden sind.
- Zahllose Farbbilder, die einen guten Eindruck vermitteln. Größtenteils jedenfalls, denn das Foto beim Klassiker “Burgberger Hörnle Südgrat” ist beispielsweise aus so einer außergewöhnlichen Perspektive fotografiert, dass die Schlüsselstelle viel schwerer und ausgesetzter wirkt, als sie wirklich ist.
- Weiterführende Tipps: Wenn möglich, werden von Rath Tipps gegeben, um mehrere Touren an einem Wochenende zu verbinden. Zudem gibt es zahlreiche Informationen aus dem Nähkästchen eines Einheimischen.
- Die unverblümte Ausdrucksweise. Es gibt hier im Allgäu einige kuriose Bestimmungen und Querelen, die Kristian Rath – bekannt dafür, kein Blatt vor den Mund zu nehmen – auf bündige und sympathische Weise aufs Papier bringt.
Wohnmobilführer Südtirol (WoMo-Verlag)
Die Womo-Führer sind liebevoll und irgendwie schrullig zugleich. Das Layout ist unkonventionell, die Texte direkt und die Tipps eindeutig von alten Womo-Hasen. Der “Mit dem Wohnmobil nach Süd-Tirol” richtet sich dabei nicht an jene Womo-Fahrer, die von Campingplatz zu Campingplatz gondeln, an den wichtigsten Sehenswürdigkeiten anhalten, ein Foto schießen und noch kurz ihren Hund hinter den nächsten Baum führen. Im Gegenteil. Er ist für aktive Leute, die am liebsten auf kostenlosen Stellplätzen campen und die Gegend auf den eigenen vier Rädern erkunden wollen. Wir planen zwar unsere Trips eher entlang von Gipfeln und Kletterrtouren, die wertvollen Tipps zu Trinkwasser und Übernachtungsmöglichkeiten brauchen aber auch VW-Bus-Reisende. Natürlich bieten die Parkplätze für alpine Kletteraktionen häufig die allerbesten Schlafplätze, aber manchmal will man auch einfach schnell irgendetwas finden, wo man wenigstens stehen darf. Dafür ist dieser Führer tatsächlich wie gemacht.
Was kann das Buch jetzt?!
Genau dann helfen, wenn man relativ spontan einen kostenlosen Schlafplatz oder die nächste Wasserstelle sucht – gerade in Südtirol häufig gar nicht so einfach. Die vorgeschlagenen Routen, auf denen man innerhalb bestimmter Tage Südtirol erkunden kann, sind dabei zwar (für uns) nicht ganz so interessant, aber bei der Orientierung im Führer helfen sie allemal (wenn man einmal das System verstanden hat). Randabstände oder unbedruckten Platz gibt es in diesem Buch nämlich wahrlich nicht – 8mm zwischen Text und Blattrand müssen reichen.
Die tollsten Vorteile
- Zahllose Tipps zu kostenlosen (und einigermaßen legalen) Übernachtungsplätzen
- Hilfreiche Tipps von erfahrenen alten Hasen, unter anderem zu den Themen Geld sparen, Maut umgehen, freies Camping, Gas, Wasser, Packliste, Müll, Diebstal, Fahrzeug… Manches liest sich dabei zwar etwas skurril oder bisweilen etwas antik (Kühlschranktipp bei Foto-Filmen), aber alles, was wichtig ist, stimmt und hat Hand und Fuß.
